
Isolierte systolische Hypertonie bei jungen Menschen
Die isolierte systolische Hypertonie (ISH) ist eine der häufigsten Bluthochdruckformen bei älteren Menschen. Das bedeutet, dass der obere (=systolische) Wert häufig > 140mmHg liegt, während der untere (=diastolische) Wert < 90mmHg liegt. Ursache ist eine erhöhte Steifigkeit der Hauptschlagader (=Aorta), die wiederum Folge von u.a. Rauchen, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen ist. Es resultiert eine zunehmende Verkalkung von Arterien (=Arteriosklerose), die zu einer zunehmenden Reduktion der Elastizität der arteriellen Gefäße und Aorta führt. Hinlänglich bekannt ist das sich daraus ergebende erhöhte Risiko von Endorganschäden (z.B. Nierenschwäche) und des kardiovaskulären Risikos. Die Einleitung einer medikamentösen Therapie hat somit einen entscheidenden Einfluss auf den prognostischen Verlauf der Erkrankung.
Auch bei jungen Menschen tritt das Phänomen der isolierten systolischen Hypertonie auf. Es betrifft häufiger junge Männer in einem Alter < 30 Jahren. Hat das aber auch die gleichen Ursachen und nachteiligen Konsequenzen wie bei älteren Menschen. Ist auch hierbei eine entsprechende frühzeitige (medikamentöse) Therapie notwendig?
Es existieren verschiedene Überlegungen, die eine ISH bei jungen Menschen erklären. Während bei älteren Menschen die Aorta Steifigkeit einer wesentlichen Rolle spielt, so vermutet man bei jungen Menschen ein Missverhältnis zwischen der Elastizität der peripheren Gefäße (z.B. Armarterien) und einer besonders starken Herzfunktion. Trotz stabilem Gefäßwiderstand kommt es zu einer Erhöhung des Blutdrucks. In der Folge werden auch die kleineren und kleinsten Gefäße verändert, so dass sich daraus wiederum eine Erhöhung des Gefäßwiderstandes entwickelt. Andere Thesen beziehen sich auf die Aktivierung des autonomen Nervensystems mit Auswirkungen auf die Hyperkontraktilität (stärkeres Zusammenziehen des Herzmuskels).
Aber auch die Gefäßsteifigkeit mag einen Einfluss auf das Blutdruckverhalten bei jungen Menschen haben. Wir wissen, dass verschiedene Gefäßregionen im Körper unterschiedliche Steifigkeiten aufweisen. Unsere Hauptschlagader (Aorta) weist im jungen Alter eine sehr hohe Flexibilität und Elastizität auf, während periphere Gefäße (z.B. Arm- oder Beinarterien) schon früh eine hohe Steifigkeit aufweisen. Somit ist der gemessene Blutdruck an den Armen im Verhältnis zur Aorta unterschiedlich. Bei jungen Menschen haben wir zusammenfassend durch die übermäßige Schlagkraft des Herzens und eine hohe Elastizität der Gefäße eine verstärkte Pulswelle. Diese verstärkte Pulswelle nennt sich „Amplifikation“. Diese nimmt von zentral nach peripher zu. Somit haben wir in der Aorta normale und in der Armschlagader erhöhte Werte.
Diese Unterscheidung ist messbar. So überprüfe ich bei jedem Patienten in meiner Praxis nicht nur den peripheren Blutdruck, sondern auch den zentralen Blutdruck, da der Schaden am Organ durch den zentralen Blutdruck beeinflusst wird.
Es ist abschließend noch nicht ganz geklärt, welche konkreten Mechanismen nun vorliegen.
Die Relevanz einer ISH bei jungen Menschen kann noch nicht sicher abgeschätzt werden. Es fehlen Langzeitstudien, die eine Bedeutung auf mögliche Langzeitschäden belegen. Wichtig erschient aber zunächst eine Differenzierung des zentralen und peripheren Blutdrucks, um eine zentrale Steifigkeit auszuschließen oder zu bestätigen.
Klare Handlungsempfehlungen bestehen nicht. Wichtig in dem Zusammenhang scheint aber die Sensibilisierung für das Thema „Bluthochdruck“. Jungen Menschen mit erhöhten peripheren Blutdrücken und gleichzeitig niedrigem zentralen Blutdruck brauchen wahrscheinlich zunächst keine Therapie. Zumindest liegen bislang keine Studiendaten vor, die eine schlechte Prognose in Zusammenhang mit einer ISH belegen. Es bedarf aber regelmäßiger Überprüfungen des Blutdruckverhaltens. Ich sehe aber auch hin und wieder junge Menschen mit bereits bestehender medikamentöser, blutdrucksenkender Therapie angesichts eines gemessenen erhöhten peripheren Blutdrucks. Unter Messung und Beachtung des zentralen Blutdrucks aber scheint keine klare Grundlage dafür zu bestehen, so dass bei jungen Menschen differenziert betrachtet und diagnostiziert werden sollte, um nicht zu früh auf einen „Bluthochdruckpatienten“ zu stigmatisieren.
Beispiel einer Messung bei einer jungen Patientin: Simultane oszillographische Messung/Darstellung der Pulsdruckkurve an allen 4 Extremitäten. Roter Kreis: Zentraler Blutdruck (103/68mmHg); Grüner Kreis rechts: Peripherer Blutdruck 111/71 mmHg; Grüner Kreis links: Peripherer Blutdruck 116/65 mmHg.